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Herrmann, C., Mathematica. Probleme, Beispiele, Lösungen

International Thomson Publishing, Bonn , ISBN 3-929-821-10-9, 1995, pp. 596, DM 79,-.  

Das Buch kommt mit MATHEMATICA -Programmen auf 3 1/2'' Diskette.

Von allen Allzwecksystemen im Bereich der Computeralgebra wird MATHEMATICA \ wohl am professionellsten vermarktet. Damit geht einher, daß die Zahl der Bücher, die -- auf die eine oder andere Art und Weise -- MATHEMATICA zum Inhalt haben, inzwischen beachtlich ist. Auch auf Deutsch gibt es für (fast) jeden Bedarf das entsprechende Buch im Handel. Daher muß sich jede Neuerscheinung auf diesem Gebiet die Fragen gefallen lassen (a) wer denn das Werk lesen soll und (b) ob nicht schon gleichwertige (oder gar bessere) Literatur vorhanden ist. Um die Antworten vorwegzunehmen: (a) ist mir nicht klar geworden; (b) meines Wissens nicht. Doch fangen wir von vorne an.

Das voluminöse Werk gliedert sich in einen Referenzteil und einen Beispielteil, dazu kommen Anhang und Index. Der Referenzteil, der in etwa das erste Viertel des Buches ausmacht, stellt eine praktische Einführung in das System MATHEMATICA dar und ist ``im Prinzip systematisch'', wie der Autor sich ausdrückt. Hier werden recht eingängig die grundlegenden Elemente MATHEMATICA s und deren Handhabung vorgestellt und diskutiert. Obwohl manche Einzelheiten womöglich bald wieder vergessen werden, vermittelt dieser Teil einen brauchbaren und gut lesbaren ersten Einblick in die Strukturen MATHEMATICA s und bereitet angemessen auch auf schwierigeren Stellen des Beispielteils vor.

Dieser nimmt bei weitem den größ ten Teil des Buches ein und enthält eine Fülle von Beispielen, die von Elementen der Wirtschaftstheorie über Visualisierung von Wohnräumen bis zu approximativen Lösungsverfahren für partielle Differentialgleichungen reichen. Dabei wird ausdrücklich betont, daß in erster Linie die eingesetzten Lösungs strategien (und nicht die Lösungen selbst) interessieren. Die -- weitgehend einheitliche -- Strukturierung der Beispiele (Einführung -- Liste der verwendeten Konzepte und Symbole -- das eigentliche Beispiel) ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, erweist sich aber als sinnvoll und hilfreich. Die regelmäß ige Aufforderung zur selbständigen Mitarbeit (``Bitte evaluieren Sie!'') wirkt motivierend und regt tatsächlich dazu an, die präsentierten Ideen nicht nur zu konsumieren, sondern auch zu hinterfragen und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.

Insgesamt wird hier eine eindrucksvolle Anschauung davon vermittelt, was mit einem leistungsstarken System wie MATHEMATICA alles möglich ist. Allerdings möchte ich hierzu zwei Dinge anmerken.

Obwohl der Mathematiker Herrmann erfreulicherweise nicht so tut als wäre die Software MATHEMATICA allein auf weiter Flur -- ein falscher Eindruck, der in der MATHEMATICA -Literatur leider sehr oft erweckt wird -- fehlt mir manchmal trotzdem ein konkreter Hinweis darauf, daß das eine oder andere Problem mit Hilfe eines alternativen Computeralgebra-Systems eleganter (oder womöglich überhaupt erst) lösbar wäre. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, daß Herrmann MATHEMATICA meines Erachtens manchmal überschätzt. Mag man z.B. über die Behauptung von der ``geringeren Portabilität von C-Code gegenüber MATHEMATICA -Notebooks'' (S. 487) vielleicht noch streiten, so scheint mir etwa die Voraussage, daß ``zukünftige Versionen von MATHEMATICA durchaus mit TeX/ LaTeX konkurrieren'' werden (Einleitung, S. viii) unverständlich bis befremdlich.

Die zweite Anmerkung schließ t an die eingangs gestellten Fragen an. So habe ich als Physiker gewisse Probleme damit, Interesse für einen Teil der besprochenen Themen aufzubringen (wie etwa Abschnitt 5.4 über Anwendungen in der Wirtschaftstheorie, der ausdrücklich ``für den Unterricht im Fachgymnasium (Wirtschaft)'' geschrieben ist). Andererseits stelle ich mir vor, daß InteressentInnen an solchen Dingen ihrerseits z.B. von der Herleitung der Eulerschen Gleichungen kalt gelassen werden. Kurz gesagt scheint das Buch einerseits durch die sehr breite Auswahl von Beispielen für Spezialisten zu allgemein; andererseits mag der doch recht hohe Anspruch einiger Beispiele (die ja eigentlich nur MATHEMATICA -Methoden transportieren sollen) potentielle nicht-spezialisierte Leser abschrecken.

Trotz dieser Kritik und der manchmal nicht überzeugenden Satz- und Druckqualität (wie etwa die viel zu kleine und daher kaum leserliche Tabelle 7.47 auf Seite 477) hinterläß t das Buch einen insgesamt guten Eindruck, der wohl vor allem von dem oft spürbaren Engagement des Autors herrührt. Und wer wirklich an der vollen Bandbreite der präsentierten Beispiele Interesse findet wird mit diesem Buch sicher viel Freude haben und kaum etwas Vergleichbares finden.

Roland A. Puntigam (Köln & St. Augustin)

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Ulrich Schwardmann
Thu Jul 18 09:41:26 MET DST 1996