Für die Durchführung eines Web-Publishing-Projekts gelten ähnliche Überlegungen wie für die Erstellung von Multimedia-Applikationen auf CD-Basis. Das Endprodukt darf sich nicht nur auf hübsche Effekte verlassen, sondern muß dem Betrachter auch einen intuitiven und bequemen Zugriff auf die Inhalte verschaffen (sofern man überhaupt etwas zu sagen hat). Auch wenn einige Styleguides auf dem Web anderes versprechen (siehe [1]): der Königsweg zur guten Gestaltung von HTML-Dokumenten ist noch längst nicht gepflastert. Da man Web-Dokumente zu unterschiedlichsten Zwecken einsetzen kann, hängt (in Analogie zu Multimedia-Anwendungen) eine überzeugende Lösung letztlich von der Kreativität und Findigkeit des Entwicklers ab.
Eine der ersten Entscheidungen besteht darin, für welche Web-Browser und HTML-Standards man produzieren möchte. Diese Entscheidung hängt im wesentlichen davon ab, welche Zielgruppe man mit seiner Publikation anpeilt und welche Gestalt die Inhalte haben. Wenn etwa eine Universität ein Infomationssystem über ihre Institute und die dort laufenden Projekte erstellen möchte, kommen die Dokumente möglicherweise ohne interaktive Funktionen und mit einfachen grafischen Elementen aus. Dafür muß man damit rechnen, daß sich alle Welt mit Browsern unterschiedlicher Fähigkeiten an das System anklinkt. Dies erfordert bestimmte Vorkehrungen bei der Seitenerstellung, wenn man potentielle Besucher nicht von bestimmten Inhalten aussperren will. Ganz andere Bedürfnisse mag der Betreiber eines Internet-Shops haben: er will Kunden mit beeindruckenden Animationen und Bildern anlocken, möchte sie Bestellformulare ausfüllen lassen und hegt Verlangen nach ihren Kreditkartennummern.
Die rasche Browserentwicklung und die normative Kraft des Faktischen kommt dem Entwickler bei der Entscheidung aber entgegen: der neue Standard HTML 3.0 wurde gerade verabschiedet (siehe [2]). Es steht zu erwarten, daß neben Netscape auch alle übrigen marktgängigen Browser über kurz oder lang die gegenüber HTML 2.0 erweiterten Features unterstützen. Da es sich bei Netscape ohnehin um den am meisten verbreiteten Browser handelt, kann man ohne Not auf diese Referenz hin entwickeln. Da das Manual dieser Variante nur in Online-Form auf dem Netscape-Server zu finden ist, steht man als Entwickler ohne Internet-Anschluß zunächst im Regen. Ein vollwertiger Ersatz findet sich aber in Form des Windows-Helpfiles HTML.HLP von Stephen LeHunte.
Wer bei seinem Projekt den Zugriff von Textterminals mit
Lynx-Browsern
berücksichtigen muß, sollte die Finger von allen HTML-Versionen
oberhalb von 2.0 lassen. Leider existieren gerade im universitären
Bereich noch immer viele Internet-Zugänge, die nur mit VT100-kompatiblen
Terminals ausgestattet sind. Überdies verfügen viele
Uni-Rechenzentren auch nur über einfache Dial-up-Zugänge
mit 7-Bit-Datenübertragung, so daß auch diejenigen,
die sich von außen per Modem einwählen, auf den Gebrauch
von Lynx-Browsern beschränkt bleiben. In solch einem Fall
gebietet die Höflichkeit, sich mit der Verwendung von Bildern
zurückzuhalten und sich in jedem Fall der "Alt"-Erweiterung
des <IMG>-Tags zu bedienen (siehe Tabelle und Beispiel).
Unabhängig davon, ob man für rein für grafische oder auch für Textbrowser entwickelt, existieren ein paar praxisnahe Grundregeln, die in jedem Projekt zum Tragen kommen sollten. Beim Web handelt es sich um ein verteiltes Hypertext-System (mit Hypermedia-Anteilen), der Name HTML (Hyper Text Markup Language) leitet sich aus diesem Ansatz ab. Den Kern eines solchen Systems bilden stets die Verweise (Anker, Links) auf andere Dokumentteile (Ressourcen, URLs). Ebenso wie bei einem Windows-Helpfile muß man deshalb bei einem Web-Projekt die Aufteilung und Verknüpfung der Inhalte sorgfältig planen, damit die Anwender und man selbst beim Verfolgen der Links nicht den Überblick verliert oder gar in einer Sackgasse steckenbleibt ("lost in Cyberspace"). Die Planung der Dokumentbezüge erleichtert überdies auch die endgültige Einrichtung des Projekts auf einem Webserver, weil sich dann die relative Adressierung der Referenzanker effektiv einsetzen läßt.